Geschichte der Capoeira

Bei der Capoeira handelt es sich um eine sehr junge Kampfkunst, wenn man bedenkt, dass einige asiatische Kampfkünste vor einigen Jahrtausenden entstanden sind – Capoeira hingegen ist erst ungefähr 400 Jahre jung. Die Geschichte des afrobrasilianischen Kampftanzes beginnt wohl in Brasilien. Als damals portugiesische Seeleute Sklav*innen aus Westafrika nach Brasilien schafften, vermischten sich sehr unterschiedliche Kulturen und Traditionen – eine Fusion, die Capoeira hervorbringen sollte.

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Der Reiz des Verbotenen

Da es den Sklav*innen natürlich strengstens untersagt war, jegliche Art von Kampfübung oder -kunst auszuüben, musste ein Weg gefunden werden, der es einerseits erlaubte, das Kampfverhalten zu verbessern um sich gegen die Sklavenbesitzer*innen zur Wehr setzen zu können, der jedoch andererseits die Kampfkunst als solche nicht auf Anhieb zu erkennen gab. Daher wurde den oft sehr gefährlichen Bewegungen von Capoeira ein tänzerischer und teilweise sogar spielerischer Charakter gegeben – Eigenschaften, auf die auch heute noch viel Wert gelegt wird und die Capoeira vom Großteil der anderen Kampfkünste unterscheidet und somit unverkennbar macht. Die Tarnung als Tanz konnte jedoch nicht verhindern, dass Capoeira gemeinsam mit anderen afrikanischstämmigen Bräuchen, Festen und Tänzen von den lokalen Machthabern verboten und die Ausübung unter Strafe gestellt wurde.

Erst 1930, als Getúlio Vargas Präsident wurde und die Unterstützung des Volkes suchte, wurde Capoeira allgemein erlaubt und wird seitdem zunehmend als afrobrasilianisches Kulturgut wertgeschätzt. In Salvador wurden schließlich 1932 die ersten offiziellen Capoeira-Schulen von Mestre Bimba und Mestre Pastinha gegründet. Mestre Bimba schuf eine neue Art von Capoeira, „Capoeira Regional“ (ursprünglich „luta regional baiana“), das er anstatt des traditionellen Capoeira in seinem Training unterrichtete, und er schaffte es als erster die politischen Machthaber*innen vom kulturellen Wert dieser Kampfkunst zu überzeugen. Wenig später begann Mestre Pastinha, Riten, Abläufe und Bewegungen des alten Capoeira zu kodifizieren und er benannte seine Art des Capoeira in Anlehnung an dessen afrikanische Wurzeln „Capoeira Angola“.

Alte Riten und Traditionen sind in der Capoeira von hoher Bedeutung und werden auch heute noch in der Form von Geschichten, Liedern und auch Bewegungen vom Meister an den Schüler überliefert. Den wenigen vorhandenen gesicherten Quellen über den Ursprung der Capoeira steht eine Unzahl an Legenden und Geschichten gegenüber, die unter Adepten seit Generationen weitergegeben werden. Berühmte Capoeiristas werden mitsamt ihrer Helden- und auch ihrer Untaten bis heute in Capoeira-Liedern besungen. Dennoch handelt es sich bei Capoeira um eine lebendige Kunstform – die sich im Laufe der Zeit sehr wohl weiterentwickelt hat.

Was also ist Capoeira?

Capoeira wird heutzutage meistens als „afrobrasilianischer Kampftanz“ umschrieben, obwohl man sich auf Anhieb wahrscheinlich nicht viel unter dem Begriff „Kampftanz“ vorstellen kann. Wir versuchen das Unmögliche und bemühen uns, Capoeira zu beschreiben:

Ziel der Capoeira ist es nicht nur, sein Gegenüber akrobatisch und technisch zu überbieten, sondern auch, mit ihm eine Einheit zu bilden, auf sein Spiel einzugehen – eben zu spielen und nicht nur zu kämpfen. So kommen in einem Capoeira-Spiel Fußtritte, Rundschläge, akrobatische Sprünge und bodennahe Ausweichbewegungen zum Einsatz. Während am Anfang noch die isolierte Bewegung trainiert wird, fließen später die einzelnen Bewegungen nahtlos ineinander. Bei fortgeschrittenen Capoeiristas können sich die Bewegungsabfolgen zu rasend schnellen „Frage-Antwort-Spielen“ entwickeln, wodurch sich ein Dialog aufbaut, bei dem jeder Angriff eine Frage ist. Die Antwort kann gleichzeitig Verteidigung sowie Gegenangriff sein. Die Natur eines solchen Dialoges reicht von „Smalltalk“ über eine „fachliche Diskussion“ bis hin zu Streit und Kampf – anders gesagt: vom Tanz über das Spiel bis hin zum Kampf, abhängig von der Idee, mit der man sich in die Roda begibt.

Durch den Spielwitz und die Ironie der Capoeiristas kann sich die Charakteristik eines Spiels innerhalb weniger Momente komplett wandeln. Die Capoeiristas setzen sich bewusst dieser Unberechenbarkeit aus und verleihen der Roda damit Spannung und Dynamik. Das tänzerische Element wird durch den Einsatz von Musik, die live gespielt wird, in das Spiel eingebracht und verleiht ihm Rhythmus und seinen einzigartigen Charakter. Der Takt wird vom Berimbau angegeben, einem pfeilbogenartigen Instrument, das vom Pandeiro (Tamburin), der Atabaque (große Trommel), dem Reco-Reco und dem Agogô unterstützt wird. Dazu werden Lieder gesungen, um die Spieler je nach Situation anzuspornen, zu warnen, zu beruhigen oder auch um ein Spiel unbefangen zu kommentieren.

Alte Riten und Traditionen sind in Capoeira von hoher Bedeutung und werden auch heute noch in der Form von Geschichten, Liedern und auch Bewegungen vom Meister an den Schüler überliefert. Dennoch handelt es sich bei Capoeira um eine lebendige Kunstform – die sich im Laufe der Zeit sehr wohl weiterentwickelt hat.

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